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23.01.2019
Studieren und Lernen
3 Minuten Lesezeit

Das Problem der Multioptionalität

von Jannike Stöhr – „Mein Problem ist die Multioptionalität“, hörte ich neulich jemanden im Zug jammern. Nach meinem ersten Impuls, die Augen zu verdrehen, dachte ich über diese Aussage nach.

 

Es stimmt, wir leben in einer immer komplexer werdenden Welt mit unzähligen Optionen. Und wer weiß so gut wie ich, dass zu viele Optionen lähmen können? Ich brauchte erst eine Krise, um mich aus meiner Starre lösen zu können. Das war zu Anfang nicht einfach. Denn jede Entscheidung hat Folgen. Für einen selbst und für andere. Wie würde sich mein Ausstieg auf mein Leben und das von anderen auswirken? Würde es besser werden? Unmöglich, das abzuschätzen.

 

 

Es könnte sich ja noch etwas Besseres ergeben

Social Media suggeriert, dass es möglich ist, ein perfektes Leben zu führen. Die Erwartungen sind groß, gleichermaßen die Enttäuschungen, wenn sich unsere Entscheidungen nicht als perfekt herausstellen. Wir wägen ab, hadern und entscheiden uns in letzter Sekunde, um danach zu zweifeln, ob nicht eine andere Entscheidung doch die bessere gewesen wäre. Obwohl wir in einem Schlaraffenland leben, sind wir verunsichert. An Veranstaltungen sind wir interessiert, aber sagen nicht fest zu. Unsere Arbeitsverträge sind befristet. Oder wir arbeiten gleich als Freelancer. Mit Tinder lässt sich leicht eine Freundschaft Plus etablieren. Es könnte sich ja noch etwas Besseres ergeben.

 

So richtig zufrieden macht das alles nicht. Ich kenne das. Aber was kann man tun, wenn man wieder einmal von Optionen erschlagen wird?

 

 

Sich selbst einen Rahmen schaffen

Zuallererst hilft es, einen Entscheidungsrahmen festzulegen. Geht es um die Frage, ob ich ein bestimmtes Job-Angebot annehme oder lediglich darum, was ich beim Italiener zu Mittag esse? Je nach Tragweite einer Entscheidung fällt auch der Rahmen, den ich mir gebe, unterschiedlich groß aus.

 

Wie viel Aufwand ist mir ein gutes Ergebnis wert? Wie viele Informationen oder Erfahrungen brauche ich? Wie viel Zeit und Energie möchte ich in die Entscheidungsfindung investieren? Handelt es sich um eine Entscheidung, die ich jetzt treffen muss? Welche Perspektive ist noch wichtig, um eine gute Entscheidung treffen zu können? Hat sie für andere Menschen Konsequenzen? Mit den Antworten auf diese Fragen kann ich eine bewusste und in diesem Moment bestmögliche Entscheidung treffen. Auch eine hilfreiche Frage: Was kann im besten Fall passieren, was im schlechtesten Fall?

 
 
Die Vorstellung vom Perfekten loslassen

Wenn die Pasta beim Italiener dann doch nur mittelmäßig ist, das Tinder-Date beim ersten Treffen einen über den Durst getrunken hat oder die neue Chefin doch nicht so locker ist, wie sie beim Interview getan hatte, haben wir dann die falsche Entscheidung getroffen?

 

Wer sich bewusst und unter gegebenen Umständen bestmöglich entscheidet, kann keine falsche Entscheidung treffen. Ich verkrafte Enttäuschungen besser, wenn ich davon überzeugt bin, dass meine Entscheidungen ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis haben. Denn auch Unentschiedenheit kostet Energie. Ständiges Grübeln wiegt für mich viel schwerer, als eine mittelmäßige Pasta. Und überhaupt – wer oder was ist schon perfekt? Was wir in unserem Instagram-Feed zu sehen bekommen, ist nur ein Ausschnitt aus der Realität. Das Interessante, das Menschliche, bleibt uns verborgen. Hören wir also auf, uns zu vergleichen. Es führt nur dazu, dass wir enttäuscht sind, wenn sich nach unseren Entscheidungen nicht-perfekte Ergebnisse einstellen. Und das werden sie, egal wie sorgfältig wir auch abwägen.

 

Je mehr Übung ich darin bekam, mich zu entscheiden, das anschließende Ergebnis zu akzeptieren und meine Entscheidungsprozesse zu reflektieren, desto zufriedener wurde ich. Diese Fähigkeit hilft mir, mich nicht von der Komplexität und dem Chaos um mich herum stressen zu lassen. Und sie hilft mir, die Dinge wertzuschätzen, die mir das Leben vor die Nase stellt. Und das sind viele! Nie ging es mir so gut. Wir leben in einer guten Zeit, mit dem Luxus der Multioptionalität!