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19.12.2017
Wirtschaftsprüfer*in
3 Minuten Lesezeit

Machen Wirtschaftsprüfer den ganzen Tag nur Haken?

In Folge eins unserer Serie „Stimmt es, dass…?: Die häufigsten Vorurteile über den Wirtschaftsprüferberuf“ geht es gleich um eins der bekanntesten Stereotype überhaupt.

 

Berufe und deren Vertreter werden gern in Schubladen gesteckt: Juristen drücken sich kompliziert aus, reden dabei aber meist um den heißen Brei herum, während Informatiker in ihrer eigenen Welt leben und wenig Wert auf ihren Kleidungsstil legen. Diese Vorurteile werden mehr oder weniger ernsthaft gepflegt – auf der Campus-Party, in den Medien und andernorts. Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüferinnen sind davon nicht ausgenommen. Was aber sagen die „Betroffenen“ selbst dazu? Wir haben uns die häufigsten Vorurteile vorgenommen und nachgefragt.

 

Wenn der Mandant am Morgen anruft

von Thorsten Esser, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Warth & Klein Grant Thornton

 

Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem potentiellen Berufsanfänger. Um zu erfahren, ob er sich schon einmal Gedanken über den Wirtschaftsprüfer-Beruf gemacht hatte, fragte ich ihn, wie er sich denn den Alltag von uns „WPs“ vorstelle. Er antwortete kurzum: „Wirtschaftsprüfer machen den ganzen Tag nur Haken und füllen lange Checklisten aus.“ Ich stutzte und erläuterte dem jungen Mann, dass das Ausfüllen von Checklisten oder das Setzen von Haken sicherlich zu unserer Arbeit gehöre, aber glücklicherweise nicht den Kernpunkt unserer Tätigkeit darstelle.

 

Wie sieht also der Alltag eines Wirtschaftsprüfers aus? Zunächst einmal: den Alltag gibt es nicht. Auch wenn die Tätigkeit einige Routineaufgaben und damit auch ein paar Checklisten mit sich bringt, birgt doch jeder Tag immer wieder Neues. Oft genug geschieht es, dass der Anruf eines Mandanten am Morgen den Tagesplan vollkommen auf den Kopf stellt, weil eine Angelegenheit eilig erledigt werden muss. Da ist Flexibilität gefragt.

 

Die Arbeitszeiten eines Mitarbeiters in der Wirtschaftsprüfung lassen sich auf zwei Blöcke aufteilen: die Zeiten beim Mandanten vor Ort und die Zeiten im Büro.

 

 

Arbeiten vom heimischen Sofa aus?

Es ist nicht mehr so wie früher, dass man einen Zugriff auf Mandantenunterlagen nur vor Ort erhalten kann. In einer zunehmend digitalen Welt des Rechnungswesens und Prüfens könnte eine Jahresabschlussprüfung sogar fast vollständig vom heimischen Sofa aus erledigt werden. VPN-Tunnel, Internet-Telefonie, Cloud-basierte Laufwerke, elektronische Prüfungsakten und E-Mails ermöglichen ein anywhere audit. Während der Zeit vor Ort steht daher die Kommunikation mit dem Mandanten im Vordergrund. Eine Prüfung beginnt klassischerweise mit einem Kick-off Gespräch, in dem sich Mandant und Prüfer kennenlernen, über das abgelaufene Geschäftsjahr und besondere Ereignisse sprechen und erste Bilanzierungsfragen im Dialog klären. Auch das Prüfungsteam unter sich lebt davon, dass alle Mitglieder miteinander sprechen und ein Austausch über die Erkenntnisse aus den einzelnen Prüfungshandlungen erfolgt. Erst recht die Prüfung an sich umfasst laufend Gespräche mit dem Mandanten – zum Verstehen des Unternehmens, seines Umfeldes, der Prozesse und Kontrollen mit Bezug zur Finanzberichterstattung und zu den einzelnen Prüfungssachverhalten an sich.

 

„Show what you did“

Die Zeiten im Büro sind geprägt vom Abarbeiten der vom Mandanten erhaltenen Unterlagen. Unter dem Motto show what you did wird der Prüfungsablauf dokumentiert. Der Prüfungsleiter erstellt z.B. ein Memo zur Prüfungsstrategie oder zu Gesprächen, die er mit der Geschäftsführung abgehalten hat. Das Team dokumentiert seine Prüfungshandlungen anhand der vom Mandanten bereit gestellten Unterlagen. Ja, hier kommen dann die Haken und Checklisten zum Einsatz, um die durchgeführten Prüfungshandlungen nachvollziehbar zu dokumentieren. Aber auch während der Bürotage ist Kommunikation ein wichtiges Prüfungsinstrument: Meetings mit dem Mandanten werden vor- oder nachbereitet, interne Besprechungen im Prüfungsteam zu Zwischenergebnissen und dem weiteren Prüfungsvorgehen halten alle Beteiligten auf dem aktuellen Stand. Und ein Anruf beim Mandaten zeigt diesem, dass man auch im Büro noch an ihn denkt. Akute Fragen lassen sich ohnehin leichter lösen, indem kurz zum Hörer gegriffen wird, anstatt eine verschnörkelte E-Mail zu verfassen, die der Empfänger dann in den sprichwörtlich „falschen Hals“ bekommt.

 

Also, halten wir fest. Der Beruf des Wirtschaftsprüfers besteht zum Glück nicht nur aus Haken machen und Checklisten ausfüllen. Er lebt vom Kontakt mit anderen Menschen – Mandanten und Kollegen.

 

Und der potentielle Berufsanfänger? Er war nach dem Gespräch mit mir überrascht, dass der Wirtschaftsprüfer-Alltag doch so ganz anders aussieht als er ihn sich vorgestellt hatte.