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03.08.2018
Wirtschaftsprüfer*in
5 Minuten Lesezeit

IT und Menschenkenntnis

Wir erreichen unseren Gesprächspartner Tobias Polka zu Hause im Urlaub. Polka ist Jahrgang 1981, aber bereits über zehn Jahre im Geschäft. Entspannt nimmt er sich die Zeit, uns über seine Tätigkeit zu berichten. Danach steht – trotz Urlaubs – noch etwas Arbeit für den Mandanten an – kein Problem dank Laptop und Handy auch von zuhause aus.  

 

#Wirtschaftsprüfer digital (2):

Wie digital arbeiten Wirtschaftsprüfer heute – und wie wird das in ein paar Jahren aussehen, wenn ihr auf Jobsuche geht? Für die Expedition Wirtschaft lassen sich einige Berufsangehörige auf ihren Schreibtisch bzw. auf ihren Laptop blicken. Da sie die Interna vieler großer und mittelständischer Unternehmen kennen, erfahrt ihr auch, wie weit dort die Digitalisierung schon fortschreitet.

 

Ich arbeite bei der ADKL AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Mit 5 Niederlassungen und 125 Teammitgliedern in Deutschland sowie über 250 internationalen Standorten ist ADKL als Gründungsmitglied über das Experten-Netzwerk MSI Global Alliance weltweit vertreten, sodass man ADKL als mittelgroß bezeichnen kann – ein Magazin hat uns kürzlich zum „Regional-Champion“ im Rheinland bezeichnet.

 

 

Beruf: Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

Auf meiner Visitenkarte steht „Wirtschaftsprüfer, Steuerberater“. Meine Arbeit besteht zu ca. 40% aus der klassischen Abschlussprüfung; die übrige Zeit bin ich in IT-Projekten tätig, sei es IT-Prüfungen oder Digitalisierungsprojekten, bei denen es um Abläufe in Unternehmen geht, die von Handarbeit auf IT-gestützte Prozesse umgestellt werden. Beispielsweise berate ich Mandanten, die eine neue Software in ihrem Unternehmen einführen möchten. Das geht schon mit der Auswahl der Software los, hier erstellen wir ein Pflichtenheft, welche Anforderungen die Software erfüllen muss, dann geht es weiter mit Richtlinien für den Einsatz und einem Datenmigrationskonzept für die Übertragung der Daten von der alten in die neue Software, da darf es keinen Bruch geben.

 

Auf der Mandantenseite haben mein Team und ich es mit einem zweistufigen Projektteam zu tun: zum einen die Geschäftsführung und zum anderen die projektverantwortlichen IT-Spezialisten im Unternehmen. Auch auf unserer Beraterseite haben wir als Projektleiter IT-Auditoren, die sich sowohl mit dem Prüfen als auch mit der IT auskennen. Ich bilde die Schnittstelle zwischen diesen Beteiligten.

 

 

Sensibilität ist gefragt

Ich spreche viel mit den Beteiligten. Gerade bei IT-Projekten muss man sehr sensibel sein. Häufig sollen Prozesse rationalisiert werden, es wird in Verantwortungsbereiche eingegriffen. Manche Menschen befürchten, dass ihnen etwas weggenommen wird, oder dass man sie stärker kontrollieren möchte.

 

Bei mittelständischen Unternehmen kommt es häufig vor, dass das Wissen über Produktkalkulationen bei einzelnen, oft langjährigen Mitarbeitern liegt, die mit Excel-Tabellen oder mit Stift und Papier arbeiten. Wenn man die Prozesse mit einer neuen Software professionalisieren will, geht diesen Mitarbeitern ihr Inselwissen verloren. Das führt zu Konfliktpunkten, bei denen man vorsichtig agieren muss. Denn man braucht das Know-How dieser Mitarbeiter, und muss sie daher mit an Bord holen.

 

 

Machtkampf im Konzern

Dies kommt auch bei großen Konzernen vor: Ich erinnere mich an ein IT-Projekt, in dem es einen Machtkampf zwischen dem Vorstand einer Sparte und dem Konzernvorstand gab. Die Konzernspitze wollte Einblick- und Kontrollmöglichkeiten in die Steuerabteilung der Sparte gewinnen. Es sollte dort eine neue IT-Lösung installiert werden, damit die Konzernmutter einen besseren Einblick in die dortigen rechnungslegungsrelevanten Vorgänge nehmen kann. Der Spartenvorstand wollte sich nicht gern in die Karten schauen lassen, Das Gespräch mit ihm haben wir vier Wochen lang vorbereitet – fachlich, strategisch und psychologisch, um seine Ängste abzubauen und ihn davon zu überzeugen, warum die neue Software auch für ihn gut ist.

 

Der persönliche Austausch ist oft projektentscheidend. Das mag überraschen, da das Bild, das die Menschen sich von unserem Beruf machen, oft ein anderes ist. Der Beruf besteht zu 90% aus dem Umgang mit Menschen.

 

 

Diese Skills braucht man

Da braucht es viel Fingerspitzengefühl. Ich denke, man bringt einen Teil davon bereits aufgrund seiner Persönlichkeit mit, einen weiteren Teil kann man sich mit Büchern aneignen, etwa über Change Management, und der Rest kommt mit der Erfahrung, die man im Lauf der Zeit erwirbt und weiterentwickelt.

 

Mein BWL-Studium sehe ich als unverzichtbare Basis für meinen Beruf. Man erwirbt dort die theoretischen Grundlagen und eine Herleitungs- und Analysefähigkeit, die man bei der Arbeit als Wirtschaftsprüfer benötigt. In unserem Beruf sind wir ja nach dem Studium noch nicht fertig ausgebildet, sondern wir setzen eine weitere Ausbildung in der Berufspraxis drauf. Die vier wichtigsten Softskills, die man mitbringen sollte, sind Neugier und Lernbereitschaft, weil unser Beruf schon durch die Gesetze und Prüfungsstandards ständig im Wandel ist, sowie Beharrlichkeit, d.h. den Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen, und Gründlichkeit.

 

 

Wie IT-affin ist der Kapitän?

Der Einfluss der IT auf die Berufstätigkeit hängt sehr vom Unternehmen ab, für das man gerade arbeitet. Wie weit die Unternehmen ihre Abläufe bereits digitalisiert haben, ist sehr unterschiedlich. Dabei stimmt die gängige Auffassung nicht, dass stets die großen Konzerne viel weiter sind als der Mittelstand: Konzerne sind wie große Tanker, sie sind schwer zu manövrieren, und es hängt viel davon ab, wie IT-affin der Kapitän ist. Mittelständler – für mich sind das Unternehmen von 20 Mio. Euro bis zu 500 Mio. Euro Umsatz und mit bis zu 600 Mitarbeitern – können schneller reagieren. Der dynamische Mittelstand, also die Unternehmen, die erfolgreich unterwegs sind, sind in der Digitalisierung so weit vorne wie große Konzerne.

 

 

Warum Unternehmen Wirtschaftsprüfer mit IT-Projekten beauftragen

Für jedes IT-Projekt braucht man ein großes Wissen über das Unternehmen und das Vertrauen der Geschäftsführung. Beides erfüllt der Wirtschaftsprüfer bereits. Und wenn es um die Prüfung einer Software geht: Prüfen ist ja das Spezialgebiet von Wirtschaftsprüfern. Die Prüfungsstandards, die sie anwenden, genießen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz.

 

Auch für unsere eigenen Arbeitsprozesse bei ADKL versuchen wir, die beste Technologie zu verwenden. Wobei die Anforderungen an WP-Software häufig ganz anders sind als an das, was unsere Mandanten brauchen. Ein Medizinprodukte-Hersteller beispielsweise nutzt ganz andere IT-Programme als ein Wirtschaftsprüfer.

 

 

Was mich antreibt

Was mich begeistert an diesem Beruf, ist, den Unternehmen wirklich helfen zu können, ihre Ziele und Visionen zu verwirklichen. Ich schätze das Vertrauen, das in mich gesetzt wird. Dieses Vertrauen äußert sich oft dadurch, dass ich von meinen langjährigen Mandanten in allen Lebenslagen angerufen werde. Geschäftsführer und Vorstände haben in ihrer Position nicht viele Personen um sich herum, mit denen sie sich wirklich austauschen können. Wenn ich von den Mandanten gutes Feedback bekomme, macht mich das glücklich, und ich denke, dass der Beruf für mich der richtige ist. Das ist es, glaube ich, was mich antreibt.

 

Auch im Privatleben profitiere ich von der Menschenkenntnis, die ich im Beruf erwerbe, und davon, dass ich gelernt habe, in brenzligen Situationen erst einmal ruhig zu bleiben. Als Ausgleich treibe ich gerne Sport – das Laufen früh morgens hilft mir, den Kopf frei zu bekommen, außerdem fahre ich z.B. Ski mit der Familie im Urlaub. Ausgleich ist wichtig, und nötig, damit man seinen Beruf gut ausüben kann.

 

 

Die Prüfungsassistenten von morgen

Den Prüfungsassistenten von morgen sage ich: Der Beruf wird prozessorientierter, das Instrumentarium der Prüfung verändert sich, aber die Bestätigungsleistung an sich, die der Wirtschaftsprüfer erteilt, wird immer fortbestehen. Die Zukunft liegt in IT-Projekten. Im WP-Beruf arbeitet man unabhängig und in Freiheit. In einem Konzern arbeiten Sie dagegen in der Linie, Sie sind in die Hierarchie eingebunden. Diese Unabhängigkeit ist für mich ein großer Reiz des WP-Berufs. Außerdem die Mischung des Arbeitens vor Ort beim Mandaten und im Büro, konkret im Gespräch mit den Menschen und elektronisch – wobei ich aufgrund der neuen Technologien von überall auf die Unterlagen zugreifen kann – Telefon und Laptop genügen. Auch das ist eine Form von Freiheit.

 

 

Die zwei großen Trends

Die Kommunikation, die Übertragung von Informationen wird immer schneller, und damit auch die Antwortzeiten. Diese sind heute schon viel kürzer als in den Zeiten, als die Kommunikation noch per Brief erfolgte, und das wird noch schneller werden. Ein Patentrezept, wie man damit umgeht, habe ich nicht: Man sollte versuchen, Schritt zu halten und die neuen Techniken zu verstehen.

 

Der andere große Trend ist die Automatisierung der Prozesse in der Wirtschaft. Auch im Bank- und Finanzwesen verändert sich hier einiges, durch die Blockchain. Es entstehen neue Prozesse. Dadurch fallen Jobs weg, aber es werden auch Spezialisten benötigt, die diese Prozesse aufsetzen, gestalten und kontrollieren. Daher sollten sich Berufseinsteiger keine Berufe suchen, bei denen sie in der Prozesskette hängen und durch die Digitalisierung wegrationalisiert werden können, sondern solche, bei denen sie Prozesse mitgestalten können. Der Beruf des Wirtschaftsprüfers gehört auf jeden Fall dazu.