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27.07.2018
Wirtschaftsprüfer*in
5 Minuten Lesezeit

Abwechslung und Analyse

#Wirtschaftsprüfer digital: (1): Wie digital arbeiten Wirtschaftsprüfer heute – und wie wird das in ein paar Jahren aussehen, wenn ihr auf Jobsuche geht? Für die Expedition Wirtschaft lassen sich einige Berufsangehörige auf ihren Schreibtisch bzw. auf ihren Laptop blicken. Matthias Koch macht den Anfang.

 

Da Wirtschaftsprüfer die Interna vieler großer und mittelständischer Unternehmen kennen, erfahrt ihr auch, wie weit dort die Digitalisierung schon fortschreitet.

 

Matthias Koch, Jahrgang 1984, ist vor ein paar Monaten Vater geworden. Nachdem im April die Busy Season zu Ende gegangen ist, die Hochsaison der Wirtschaftsprüfer, befindet er sich in Elternzeit. Gut für uns: als wir ihn anrufen, ist er gerade zu Hause, und wir können ihn bitten, uns von seinem Job zu erzählen.

 

Auf meiner Visitenkarte steht: Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Manager. Als Manager bin ich verantwortlich für ein Prüfungsteam. Die Gesellschaft, bei der ich arbeite – Warth und Klein Grant Thornton – ist ein mittelständische WPG und Mitglied in einem starken internationalen Netzwerk, weshalb meine Arbeit auch stark durch Internationalisierung geprägt ist.  Unsere Mandanten sind große Unternehmen und Mittelständler, wobei unser „Wohlfühlbereich“ vornehmlich bei mittelständischen Unternehmen liegt, die international aufgestellt sind bzw. expandieren.

 

Ich bin hauptsächlich in der Abschlussprüfung tätig, d.h. ich prüfe mit meinem Team, ob die Rechnungslegung des Unternehmens gesetzeskonform aufgestellt worden ist und erteile anschließend einen Bestätigungsvermerk. Unsere Tätigkeit umfasst aber mehr und mehr Beratungsaufgaben – bei den großen Unternehmen ist dies getrennt in Prüfungsaufträge und Beratungsaufträge, im Mittelstand verlaufen die Grenzen hier eher fließend. Wenn es Veränderungen in der Rechnungslegung gibt, oder in der Gesetzgebung, oder auch im Unternehmen, ist häufig der Wirtschaftsprüfer der erste Ansprechpartner – er kann Input von außen bringen, und er kennt die Abläufe im Unternehmen.

 

 

Das virtuelle Team

Bei der Abschlussprüfung hat sich in den vergangenen paar Jahren schon einiges verändert. War ich 2011 noch zwei Monate beim Unternehmen vor Ort, so kann ich heute mehr Arbeit vom Büro aus erledigen, die Unterlagen werden alle über File-Server ausgetauscht.

 

Die Prüfungsteams werden mehr und mehrt zu „virtuellen“ Teams. Die Menschen sind zwar nicht virtuell, aber der Ort, von dem aus sie arbeiten: kulturelle und regionale Grenzen spielen insbesondere im internationalen Kontext eine immer geringere Rolle. Wenn wir ein Mandat für eine Abschlussprüfung bekommen, senden wir dem Mandanten elektronisch eine Anforderungsliste. Der Mandant liefert uns die Dokumente – ebenfalls elektronisch. Es gibt eine elektronische Prüfungsakte.

 

 

Wie prüft man einen Prozess?

Unsere Prüfungsarbeit besteht darin, Prozesse zu prüfen, nicht Einzelfälle: die Warenwirtschaftssysteme (ERP-Systeme) arbeiten mittlerweile vollautomatisch. Für uns geht es darum zu verstehen, wie das System arbeitet, wie im Unternehmen die Daten dort eingepflegt werden, wie die einzelnen Abteilungen im Unternehmen zusammenarbeiten.

 

Daher werden wir Wirtschaftsprüfer auch oft um Beratung gebeten, wenn es um Prozesse geht: Wir haben ein Verständnis für Prozesse, und wir haben unternehmensspezifisches Know-How, wir wissen, wie die Abteilungen zusammenarbeiten. Oft in sehr großen Unternehmen haben wir einen besseren Gesamt-Überblick als die Beschäftigten der einzelnen Abteilungen des Unternehmens selbst.

 

In produzierenden Unternehmen sind die Prozesse oft langjährig gewachsen, und man tut sich schwer mit Änderungen. Wir blicken von außen darauf. Wir sehen, wie man Prozesse effizienter machen kann – auch weil wir viele Unternehmen kennenlernen. Was in einem Unternehmen gut funktioniert, kann auch für ein anderes Unternehmen geeignet sein.

 

 

Der umständliche Web-Shop

Ein Beispiel: ein Unternehmen hatte einen Webshop eröffnet, in dem Händler bestimmte Unterlagen bestellen konnten. Der Kunde konnte dort alles ausfüllen. Was ist dann im Unternehmen passiert? Ein Mitarbeiter hat die Unterlagen ausgedruckt und per Hauspost einer anderen Abteilung übergeben. Dort wurden die Unterlagen nochmals abgetippt, um sie für das ERP-System elektronisch zu erfassen. Wir als Berater haben gesagt: Ihr habt die Unterlagen schon digital vorliegen, lasst das Ausdrucken. Ihr könnt auch am PC überprüfen. Wir haben dem Unternehmen vorgeschlagen, eine Schnittstelle einzurichten, um diesen Prozess zu verbessern. Für die Umsetzung werden dann natürlich Experten beauftragt, sei es aus unsrem Haus oder andere. Auch wenn uns solche verbesserungsfähigen Prozesse bei einer Abschlussprüfung auffallen, teilen wir dies dem Mandanten mit.

 

 

Sie haben Post

Ein typischer Arbeitstag fängt bei mir damit an, dass ich morgens zunächst schaue, ob über Nacht neue E-Mails aus dem Ausland eingegangen sind, z.B. aus den USA. Dann schaue ich in den verschiedenen Sharepoints, ob neue Mandantenunterlagen hochgeladen worden sind. Nachdem ich mir einen Überblick verschafft habe, spreche ich mit meinem Team – per Telefon- oder Videokonferenz, oder auch persönlich, wenn alle gerade im Büro sind. Ich informiere mich über die Prüfungsfortschritte und verteile Aufgaben. Danach steht meistens die Kommunikation mit den Mandanten an. Wir versuchen stets, dem Mandanten einen guten Service zu bieten und für Fragen zur Verfügung zu stehen, persönlich, per E-Mail oder telefonisch. Meine Ansprechpartner sind hier vor allem die Leiter Rechnungswesen, aber auch Geschäftsführer und Gesellschafter wenden sich mit ihren Fragen an mich. Ein weiterer Teil meines Arbeitstages besteht darin, Unterlagen zu prüfen und zu würdigen.

 

Wenn ich beim Mandanten bin, verläuft der Tag etwas anders: dann versuche ich, möglichst viele Gespräche zu führen, um ein Gefühl für das Mandat zu bekommen und die Prozesse und kritischen Punkte zu verstehen.

 

 

Was ich an der Uni (nicht) gelernt habe

Sicher kam mir mein Interesse für IT zugute. Das Handwerkszeug für meinen Beruf habe ich zu einem kleinen Teil an der Uni gelernt, aber so richtig erst bei Praktika und in den ersten Jahren im Job. Das wichtigste, was ich in meiner Universitätsausbildung gelernt habe, war: Wie analysiere ich ein Problem, wie finde ich Lösungen. In meinem Beruf kann ich meine analytischen Fähigkeiten gut einsetzen.

 

 

Was mich dann doch von der Wirtschaftsprüfung überzeugt hat

Als ich in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angefangen habe, war ich ehrlich gesagt noch nicht so ganz überzeugt, ob ich Wirtschaftsprüfer werden möchte. Es war mir aber wichtig, Einblicke in viele verschiedene Unternehmen zu bekommen, und mit Menschen zusammenzuarbeiten, d.h. mit vielen verschiedenen Menschen umzugehen. Das beginnt schon beim eigenen Team, in dem verschiedene Charaktere vertreten sind, und geht weiter mit den Ansprechpartnern in den Unternehmen, dort gibt es ja ganz verschiedene Interessengruppen. Das macht mir Spaß. Im Moment könnte ich es mir jedenfalls nicht vorstellen, in einem Job zu arbeiten, in dem ich täglich mit denselben fünf Leuten zu tun habe.

 

Im Privatleben kann ich meine Fachkenntnisse nicht nutzen – sieht man einmal von der persönlichen Steuererklärung ab. Was mir aber auch privat hilft, sind die Erfahrungen mit Menschen, die zu meinem Job gehören, gerade bei unterschiedlichen Interessenlagen. Wirtschaftsprüfer bewegen sich ja in einem Spannungsverhältnis: Sie sind Dienstleister, aber auch Prüfer des Unternehmens. Die Prüfung kann etwas zutage fördern, was bestimmten Interessengruppen im Unternehmen nicht gefällt.

 

 

Elternzeit – heute ganz selbstverständlich

In meiner Freizeit gehe ich joggen und ins Fitness-Studio – und jetzt beschäftige ich mich viel mit meiner vor Kurzem auf die Welt gekommenen Tochter. Elternzeit ist heute bei uns und ich denke auch in allen größeren Unternehmen gang und gäbe. Ich habe das so abgesprochen, dass es mit den Mandaten gut passt, und die Elternzeit im Sommer genommen, außerhalb der Busy Season, aber auch während der Busy Season wäre das möglich gewesen.

 

 

Analyse, Analyse, Analyse

Die Arbeit der Prüfungsassistenten hat sich schon heute gewandelt: die mechanischen Abstimmungs- und Dokumentationsarbeiten, das „Hakenmachen“ sind viel weniger gefragt als früher, sie machen nicht mehr den Großteil der Arbeit aus. Von Berufsanfängern wird schon früh erwartet, dass sie ein Verständnis der Prozesse entwickeln, sie werden in die Analyse und in die Planung mit einbezogen. Die Arbeit ist dadurch abwechslungsreicher geworden, und die Berufsanfänger fangen schon früh an, Expertise zu erwerben, die sie dann für die Beratung nutzen können.

 

Der Prüfer, der vier Monate im Prüferzimmer sitzt, Unterlagen anfragt und am Ende zu seinem Prüfungsurteil kommt, ist passé. Vielmehr ist der Prüfer immer mehr als Berater gefragt, er muss sich vertraut machen mit den Prozessen und Verantwortlichkeiten im Unternehmen. Auch die Arbeit im Prüfungsteam ändert sich. Ein klarer Trend auf dem Arbeitsmarkt zeigt, dass junge Leute nicht mehr sechs Monate des Jahres im Hotel verbringen wollen. Heute sind die WPs eher zwei Tage vor Ort und zwei Tage im Büro und einen machen sie Home Office. Vom Teamleiter sind da schon Management-Qualitäten gefragt, um die Arbeitsabläufe zu steuern.

 

 

Die Digitalisierung ist schon da

Die Digitalisierung ist nicht etwas, das in der Zukunft einmal kommen wird. Sie ist schon da. Die meisten Mandanten haben ihre Prozesse bereits digitalisiert, weil sie sonst an einem auf Effizienz bedachten Markt nicht mehr bestehen könnten. Das prägt die Wirtschaft in Deutschland und international bereits seit Jahren.

 

Wirtschaftsprüfer müssen ihre internen Prozesse kontinuierlich der Entwicklung anpassen. Weitere gesellschaftliche Trends, die mit der fortschreitenden Digitalisierung einhergehen sind vollautomatische Produktionsmaschinen, die selbst Vorprodukte nachbestellen, vernetzte Produktionsmaschinen, autonomes Fahren – alle Bereiche sind betroffen. Bestimmte Arbeiten wird es bald nicht mehr geben, etwa bei der Sachbearbeitung in einer Bank. Die Beschäftigten können sich dadurch auf andere Dinge konzentrieren.

 

Studierende werden wenig Schwierigkeiten haben, sich auf weitere digitale Entwicklungen einzustellen, sie leben bereits jetzt digital, kommunizieren über Whatsapp und Skype, nutzen File Server und Clouds und das Busticket auf dem Smartphone. Wichtiger ist es für sie, analytische Fähigkeiten zu entwickeln, Prozesse und Zusammenhänge zu verstehen. Entscheidend für sie wird es sein, stets offen für neue Entwicklungen zu sein, früh Fragen zu stellen, zu hinterfragen, warum etwas so gemacht wird, und kritisches Denken zu entwickeln.