Erst Steuerberater*in werden oder gleich das WP-Examen machen? Pros und Cons
Das Thema Steuern nimmt im Arbeitsfeld der Wirtschaftsprüfung viel Raum ein und jede*r WP hat profunde Steuer-Kompetenzen. Vor diesem Hintergrund ist es plausibel, dass viele Wirtschaftsprüfer*innen auf ihrem beruflichen Weg zunächst die Abzweigung Steuerberater*in gewählt und erst im Anschluss daran das WP-Examen „draufgesattelt“ haben. Doch muss dieser Prüfungs-„Doppel-Whopper“ sein? Was spricht dafür? Was dagegen?
All-inclusive-Paket Wirtschaftsprüfung
Im Gegensatz zu Steuerberater*innen dürfen nur Wirtschaftsprüfer*innen Jahresabschlüsse von Unternehmen prüfen, gutachterlich tätig sein oder als Sachverständige zurate gezogen werden. Zugleich kannst du genau wie Steuerberater*innen auch als Wirtschaftsprüfer*in Beratungsleistungen in sämtlichen Steuerangelegenheiten erbringen: Dazu zählen Steuererklärungen und -bilanzen, Vermögensaufstellungen, Investitionsentscheidungen, die Mandant*innen-Vertretung vor dem Bundesfinanzhof und einiges mehr. Das WP-Portfolio schließt sozusagen das des Steuerberaters bzw. der Steuerberaterin mit ein. So betrachtet bringt ein zusätzlicher Titel als Steuerberater*in (StB) dir keinen Vorteil.
StB als i-Tüpfelchen und Plan B
Doch obwohl sogenannte „Voll-WPs“ – also diejenigen, die mit der WP-Prüfung durchgestartet sind – alles dürfen, was auch ein StB darf (und darüber hinaus noch mehr), wird dem Zusatz-Label „StB“ vonseiten einiger Auftraggeber*innen ein besonderer Wert beigemessen. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die umfangreiche Steuerberatungsleistungen erbringen, finden es daher mit Blick auf ihre Klientel oftmals hilfreich und sinnvoll, wenn du als Mitarbeiter*in neben dem WP- auch das StB-Examen absolviert hast. Dass zwei Examenstitel sich gut in der Signatur machen – vor allem dann, wenn man sich vorstellen kann, schwerpunktmäßig im Steuerbereich tätig zu sein –, findet auch WP StB Valerie Wachter: „Ein weiterer Vorteil des Steuerberatertitels ist, dass man ihn unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Berufsausübung in der freien Wirtschaft weiterführen und sich Syndikus-Steuerberater*in nennen darf“, ergänzt sie. Wenn du also noch nicht sicher bist, ob du später vielleicht einmal von der WP-Branche in die Wirtschaft wechseln oder dich mit einer eigenen Kanzlei selbstständig machen möchtest, die in Steuersachen berät, kannst du vom Zusatztitel StB profitieren.
Neues WP-Examen schafft neue Perspektiven
Dass von den derzeit rund 14.600 WPs in Deutschland über 12.000 den Zusatztitel StB tragen, hat aber auch noch andere Gründe, weiß WP StB Dr. Henrik Solmecke, Leiter Aus- und Fortbildung beim IDW: „Bisher war das StB-Examen nicht zuletzt ein viel beschrittener Weg, um die WP-Prüfung etwas zu entzerren, weil der Titel StB auf das WP-Examen angerechnet wird. Wer bereits das Steuerberaterexamen in der Tasche hat, ist vom Gebiet Steuerrecht befreit und schreibt zwei Klausuren weniger, wodurch sich der Prüfungsumfang von sieben auf fünf Prüfungen verkürzt.“ Inzwischen jedoch zeichnet sich ein neuer Trend in der WP-Ausbildung ab: Durch die kürzlich eingeführte Modularisierung des aufwändigen WP-Examens haben Prüfungskanditat*innen mehr Zeit, sich auf das Steuermodul vorzubereiten bzw. können es zeitlich versetzt absolvieren. Beim bisherigen nicht modularisierten Blockexamen hingegen werden alle Prüfungsschwerpunkte mehr oder minder gleichzeitig – eben „en bloc“ – abgefragt.
Auch abgesehen von der Modularisierung gibt es Möglichkeiten, die WP-Prüfung zu entzerren, also die Zahl der Klausuren innerhalb des WP-Examens zu reduzieren: Bei bestimmten Studiengängen (nach §§ 8a oder 13b WPO) werden Prüfungsleistungen aus dem Studium aufs Examen angerechnet. Mehr dazu erfährst du in unserem Beitrag Wie werde ich Wirtschaftsprüfer*in?
Im Masterstudiengang Wirtschaftsprüfung (nach § 8a WPO) wirst du zusätzlich gezielt aufs WP-Examen vorbereitet, welches du unmittelbar im Anschluss an den Master ablegen kannst. Dafür hat sich beispielsweise WP Anna-Lena Thomsen entschieden, um möglichst schnell ins Berufsleben einzusteigen. Nach dem Bachelor hatte sie bereits in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angefangen: „Ich wollte dann einen Masterabschluss machen, der direkt auf den Beruf der Wirtschaftsprüferin ausgerichtet ist. Ein berufsbegleitender Studiengang nach § 8a WPO war genau der richtige Weg für mich“, sagt Thomsen. Auch WP Elisabeth Kern ist der Meinung, mit der Variante „Voll-WP“ die richtige Wahl getroffen zu haben, zumal sie es sich „nicht vorstellen konnte, nur für Steuern zu lernen, und auch nicht die Absicht hatte, in der Steuerberatung tätig zu werden.“
Folge deiner inneren Stimme
Der Wirtschaftsprüferberuf kann dir diverse Türen öffnen, die Bandbreite an Tätigkeiten und Schwerpunkten, die du setzen kannst, ist groß. Zwar wird der Titel bei einem Wechsel in die Industrie nicht geführt – für manche vielleicht ein Wermutstropfen –, dennoch ist unter jüngeren WPs die Variante „Voll-WP“ inzwischen auf dem Vormarsch, denn der direktere und schnellere Karriereeinstieg ist für viele attraktiv. Zugleich bietet das modularisierte Examen zeitliche Freiräume und Anrechnungsmöglichkeiten, die früher nicht gegeben waren und es dir erlauben, deinen eigenen Weg in die Wirtschaftsprüfung zu gehen.
Wenn du herausfinden möchtest, welcher „WP-Typ“ du bist – eher „Voll-WP“ oder „WP StB“ –, dann beginne früh, in die Wirtschaftsprüfung hineinzuschnuppern. Am besten sofort! Um ein Tagespraktikum in einer der an unserer Initiative teilnehmenden Wirtschaftsprüfungspraxen zu machen, melde dich einfach bei der Expedition Wirtschaft an und entscheide dich für einen Insight Day.